Kalenderblätter für das Jahr 2005
Kalender 2005 – Januar
Vogtenhaus Hülchrath
Um das Jahr 1720 errichtete der Hülchrather Vogt und Kellner Erich Adolph Call dieses Haus an der Hülchrather Hauptstraße. Sein Amt war vergleichbar dem eines Landrates, kombiniert mit dem des vorsitzenden Richters am Landgericht und dem des Leiters des Finanzamtes. Sein Bezirk war das Amt Hülchrath, das sechs Dingstühle, die in etwa heutigen Großgemeinden vergleichbar sind, umfasste. Zum Dingstuhl Hülchrath gehörte auch unser Neukirchen. Aus dieser alten, kurfürstlichen Zeit stammt noch das Landeswappen von Kurköln, das über dem Eingang zu sehen ist und etwa dem Landeswappen zu vergleichen ist, das noch heute an den Türen der Gerichte und Finanzämter zu finden ist. Da einer der Bürgermeister im 19. Jahrhundert auch hier wohnte, wurde das Haus auch als „Bürgermeisterei“ bezeichnet. In dieser Zeit kam die Umdeutung des Wappens zum „Hülchrather Stadtwappen“, da an den Rathäusern der Städte – und Hülchrath fühlte sich immer als eine solche – bekanntlich die Stadtwappen angebracht waren.
Kalender 2005 – Februar
Innenansicht St. Jakobus Kirche
Aus der Kirchenchronik:
18. November 1906: Da in den 3 Jahren, welche seit der Restauration der Kirche verflossen sind, die Wände, Pfeiler etc. genugsam ausgetrocknet waren, konnte man ohne Besorgnis die Ausmalung der Kirche in Angriff nehmen. Am 14. Juni beschloß der Kirchenvorstand, die Arbeit dem Maler Wilhelm Vossebrecker zu Weiden b. Köln zu übertragen. In der Woche nach Fronleichnam begann er (mit einem Gehülfen) die Arbeit und stellte bis Jakobus das Chor mit Einschluß des Hochaltares, der vollständig abgebeizt und neu vergoldet wurde, fertig. Bis zum Feste des hl. Wendelinus war die übrige Arbeit geschehen mit Ausschluß des Bildes am Triumphbogen. Dieses Bild war einem anderen Maler übertragen, Gerhard Lamers zu Münster (Schüler von Prof. Stummel zu Kevelaer), der nunmehr in Thätigkeit trat. Heute am Kirchweihfeste war alles schon so weit fertig gestellt, daß ich in der Predigt das Bild erklären und die Wahl desselben begründen konnte:
Unten auf dem Hochaltar der Heiland in seiner Erniedrigung (Tabernakel, Kreuz); oben auf dem Triumphbogen in seiner Verklärung, ferner unten die göttliche Barmherzigkeit (Kreuz und Tabernakel), oben die göttliche Gerechtigkeit (Weltenrichter), aber diese auch wieder gemildert durch die Fürsprache Mariä und des hl. Jakobus. Beide Maler haben ihre Aufgabe in bester Weise gelöst. Vossebrecker erhielt 2475 Mark, Lamers für das Bild 325 M. Nunmehr dürfte unsere Kirche eine der schönsten in der ganzen Umgegend sein.
Das Foto dürfte zwischen 1908 (Aufstellung der Säulenheiligen) und 1910 (Anbringung elektrischer Lampen in Chor und Schiff) aufgenommen worden sein.
Kalender 2005 – März
Am Nußbaum / Hülchrather Strasse
Kurz war die Epoche des Aussiedlerhofes Berg an der Hülchrather Straße. Kurz nach 1900 erbaut, diente er nur zwei Generationen als landwirtschaftlicher Betrieb, um einem äußerst ehrgeizigen Bauprojekt, der Entwicklung der Straße „Am Nußbaum“ zu weichen. Die Familie Berg hatte auch den Grundstein zur benachbarten Fabrik gelegt, aber der wirtschaftliche Erfolg ließ auf sich warten. So etablierte sich die Fabrik als Konservenfabrik Kluth erst im zweiten Anlauf. Aber auch dieser Fabrik war keine lange Lebensdauer beschieden.
Man beachte auch, dass auf der Hülchrather Straße Ende der Fünfziger Jahre die Kinder noch auf der Straße spielen konnten, weil kaum ein Fahrzeug die Straße passierte (unten links und oben rechts).
Kalender 2005 – April
Mittelklasse 1910
Bei diesem Foto soll es sich um ein Firmbild von 1897 mit Pfarrer Hugo Hünebeck handeln. Da Pfarrer Hünebeck aber nur von 1910 bis 1916 in Neukirchen war, und bei der Firmung die Kinder auch wesentlich älter waren, als die hier abgebildeten Schüler, wird es sich um ein Klassenfoto der Mittelklasse handeln, die vor dem ersten Weltkrieg etwa 65 Schüler umfasste. Gestützt wird die Annahme dadurch, dass sieben Kinder mit Namen bekannt sind:
Johann Sprenger, 1. Reihe von oben, ganz links. 3. Reihe von oben, 1. Mädchen von links ist Helene Kluth, das dritte Mädchen ist Billa, später verheiratete Hintzen. Das vierte Mädchen ist Anna Odendahl, geboren 1898, später verheiratete Wirtz. Das vierte Mädchen von rechts ist Maria Knauf, die später Johann Bock geheiratet hat, der in der untersten Reihe 2. von links zu sehen ist. In der dritten Reihe von unten ist das 2. Mädchen von links Margaretha Brüggen.
Neben dem Pfarrer Hugo Hünebeck steht auf der Schultreppe der Schulleiter Joseph Moritz, rechts neben dem Pfarrer ist mit der Brille die Lehrerin der Mittelklasse, Eva Mafa, zu sehen, die im Alter von 20 Jahren Anno 1876 nach Neukirchen kam, und 1911 schwer erkrankte und aus dem Schuldienst ausschied. Sie starb dann 1922 an den Folgen der Krankheit.
Kalender 2005 – Mai
Festzug der Schützen 1957
Da schlägt das Herz einer jeden Schützenbraut höher: Am Sonntagnachmittag mit durch das Dorf ziehen zu dürfen. Doch das sieht der Regimentsbefehl nicht vor. Anläßlich der Weihe einer von den Frauen gestifteten Fahne gab es nur einmal eine Ausnahme. Von links nach rechts sind die stolzen Damen:
Christel Blank und Maria Poziot, eine auf Besuch in Neukirchen weilende Dame neben Gerti Corsten, Maria Holzenleuchter, Anni Holzenleuchter, Adele Koenen, und verdeckt durch die beiden Herren Heinrich Köllen und Lehrer Fervers Marta Zimmermann und Gertrud Offer. Auf den Pferden sitzen Franz Kromeich und Joseph Hahn.
Kalender 2005 – Juni
Mittagspause 1912
Vor 90 Jahren bestimmte noch keine Atomuhr den Tagesablauf, sondern allein die Sonne und die Kirchturmuhr. Das „Wohnzimmer“ war die Bank vor dem Haus, wie hier beim Landwirt Nollen in der heutigen Hülchrather Broichstraße. Unter dem Titel „Mittagspause“ wurde dieses Bild als Ansichtspostkarte vom Niederrhein verkauft.
Kalender 2005 – Juli
Neukirchener Pumpengemeinschaft
Der älteste rheinische Brunnen ist 7000 Jahre alt und aus Holz gefertigt. In römischer Zeit wurden die Brunnen aus Stein gemauert. So blieb es bis in das 19. Jhd. hinein. Dann aber kamen statt der Ziehbrunnen Saugpumpen auf, so wie die hier abgebildete Pumpe, die an der Kreuzung der Viehstraße mit der Hülchrather Straße stand. Da nicht jedes Haus einen eigenen Brunnen hatte, waren rund um die Brunnen „Brunnengemeinschaften“ entstanden, die gemeinschaftlich den Brunnen unterhielten und pflegen mussten.
Hier müssen die Frauen von Montfort, Tegethoff und Zars die mühsame Arbeit des Wasserpumpens noch von Hand ausführen. Erst Ende der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die zentrale Trinkwasserversorgung eingeführt.
Das Wasserholen war schon zu biblischer Zeit Frauensache, wie aus der Geschichte Jesu mit der Samaritanerin am Brunnen zu erkennen ist (Joh. 4, 7-10), und diese biblische Geschichte lebt in ihrer Spannung von dieser Rollenverteilung, indem Jesus zur Frau spricht: „Wenn du wüßtest, wer ich bin, dann hättest du mich gebeten, dir lebendiges Wasser zu schöpfen.“
Kalender 2005 – August
Heiße Technik im heißen August
Das Leben des Landwirtes erfährt seinen Höhepunkt mit der Ernte im Sommer. Nach dem das Getreide geschnitten war, musste es von Hand gedroschen werden. Das Dreschen war eine schwierige Sache, denn die Drescher mussten stets im Takt bleiben. Welche Erleichterung brachte dann um 1930 dieses Lokomobil mit Dampfdreschmaschine! Stolz präsentieren sich daher die Frauen und Erntehelfer dem Fotografen, der den technischen Fortschritt dokumentiert. Noch 1963 gab es einen Landwirt, der keinen Traktor hatte und mit dem Pferd seiner Arbeit nachging!
Kalender 2005 – September
Pferdekarre für Vorbeter bei der Wallfahrt
Der September ist der traditionelle Festmonat in Neukirchen. Zunächst war auf dem ersten Sonntag im September die Kirmes, welche das alte Kirchweihfest ist. Heute wird auf diesem Termin das Pfarrfest gefeiert. Eine Woche später findet dann die Fußwallfahrt nach Bergheim statt, ursprünglich ging es nach Betlehem, einem Kloster bei Bergheim. Auslöser waren verschiedene Seuchen, die in den Sechzehnhundert-Siebziger-Jahren in Hülchrath und Neukirchen gewütet hatten. Der Legende nach war die Seuche verschwunden, nachdem die wenigen Überlebenden siebenmal hintereinander nach Betlehem gezogen waren. Schon immer wurden die Fußpilger von einer „Karre“ begleitet. Hier sehen wir die Karre, die den Pilgerzug begleitete, allerdings zu einem anderen Anlaß. Einige Neukircher, die gerne mitziehen wollten, aber den Weg nicht mehr schafften, mieteten sich auch Sitzplätze in der „Karre“, deren wertvollster Schatz das Bierfaß war, aus dem sich die Vorbeter, Brudermeister genannt, zwischen ihren stundenlangen Litaneien und Rosenkränzen erfrischen durften.
Kalender 2005 – Oktober
Erntedank 1933
Mit dem Erntedankfest 1933 treten die Nationalsozialisten zum ersten Mal öffentlich in Neukirchen in Erscheinung. Lehrer Heinrich Reif berichtet über das Fest:
1. Okt. 1933 Erntedankfest! Tag des Bauern. Ein wunderschöner Herbsttag mit blauem Himmel und viel Wärme. Das ganze Dorf ist lebendig. Und erst der Festzug: Erntewagen, Schnitterinnen, Schnitter, Jugend, S.A. in buntem Durcheinander. Es ging von Hoisten über Helpenstein, Münchrath, Hülchrath nach Neukirchen. Hier wurde bei Einbruch der Dunkelheit ein Erntespiel aufgeführt (von den Jungmännern des Jungmänner-Vereins, den Mädels des Jungfrauenvereins und den Schulkindern). Danach schritt man zur Kirche, wo eine Danksagungsandacht stattfand, verschönt durch den mehrstimmigen Gesang unseres Kirchenchors mit seinem Leiter Mülhöfer. Es war ein Erlebnis.
Auf dem Ernteball war es so fein wie es Kirmes und Schützenfest nie gewesen ist. Sogar „de decke Bure ware do“. Heil Hitler!
Wenig später wurde mit den beiden hier noch vorgeschobenen Vereinen der katholischen Jugend ganz anders „zusammengearbeitet“, wie die Kirchenchronik berichtet:
Am 1. Febr. 1938 wurde durch die Geheime Staatspolizei hier wie in der ganzen Erzdiözese die Jungmänner- und Jungfrauenkongregation als aufgelöst erklärt. Das Vermögen wurde beschlagnahmt. Am 3.2.38 wurde mitgeteilt, daß die Auflösung der Jungfrauenkongregation zu Unrecht erfolgt sei.
Auf dem Foto, das auf dem Jakobusplatz Ecke Roseller Straße aufgenommen wurde, sind vor allem Hoistener zu sehen, der Dorfpolizist Düllberg steht hinter dem Pferd mit verschränkten Händen.
Kalender 2005 – November
Panhas Pottscharre
In früherer Zeit, hielten die Leute auf dem Lande und auch viele Neukirchener noch Schweine und es waren Hausschlachtungen üblich. Diese wurden meist im Haus der Viehbesitzer von einem örtlichen Metzger durchgeführt. Dazu zählte dann natürlich auch das „Wursten“, und da so gut wie alles vom Schlachten verwendet wurde, machte man, wenn die Würste gekocht waren, aus der Wurstbrühe, Buchweizenmehl usw. den „Panhas“.
Frischer Panhas war offenbar nicht nur für die Erwachsenen ein Fest, sondern auch für die Kinder. Oft durften auch die Nachbarskinder zum „Pottscharre“, d.h. Auskratzen der Reste aus dem Wursttopf kommen, wozu jeder üblicherweise einen eigenen Löffel mitbringen mußte. Offenbar war der Panhas lecker und es hat Spaß gemacht.
Das Foto ist ca. 1942 auf dem Hof der Familie Hinzen, Unterdorf entstanden.
Es zeigt von links nach rechts: Alois Wirtz, Christel Haas, Gerti Krüll, Josef Hinzen (zeigt den Rücken), Mechthilde Wolf (oben), der Junge in der Mitte und das verdeckte Mädchen sind nicht bekannt, Maria Haas (vorn), Hardy Hinzen, Hans Hinzen
Kalender 2005 – Dezember
Kaufhaus – Rudolf Daners
Ein traditionsreiches Ladenlokal ist der kleine Laden von Daners am Jakobusplatz, der heute den beliebten Kiosk beherbergt. Vieles hat sich in den letzten 70 Jahren zwar gewaltig verändert, aber der Charakter ist geblieben. Die Gebinde der Spirituosen und Süßwaren sehen anders aus, lose verpackt und abgewogen wird schon lange nicht mehr, und auch bei den Rauchwaren ist das Sortiment verändert. Solche Läden lockten damals wie heute auch Spitzbuben an, wie wir am 9.2.1927 in der NGZ lesen konnten:
Einbruch in Neukirchen.
Neukirchen, 9. Febr. Vergangene Nacht wurde bei dem Metzger P. Rütten und dem Kolonialwarenhändler H. Derichs eingebrochen. Während den Dieben bei dem ersteren ein neues Fahrrad, Kleidungsstücke und Geld in die Hände fielen, hatten sie bei letzterem außer Geld auch Lebensmittel sich angeeignet. Ein halbes Weißbrot wurde noch auf dem Fensterbrett der Schule vorgefunden. Die Untersuchung wird hoffentlich den Diebstahl aufklären.