Geschichte – Zusammenfassung
Die Ersterwähnung des Ortes ist nicht die Gründungsurkunde. Auch wenn sich die Gelehrten nicht einig sind, so darf man doch vermuten, dass es eine lange Vorgeschichte gibt.
Die Wurzeln des heutigen Dorfes reichen wahrscheinlich in die karolingische Zeit zurück. Bevor hier die ’neue Kirche‘ errichtet wurde, gab es an der Neukircher Heide wohl einen Heidentempel, in dem Matronen verehrt wurden, wahrscheinlich hießen diese Matronen ‚Iflibus‘. Der Effer Busch hat daher seinen Namen. Funde römischer Villen rund um Neukirchen zeigen an, dass die heidnischen Wurzeln wohl bis in die römische Zeit reichen. Bedenkt man weiter, dass die beiden ergiebigsten Fundplätze des Rhein-Kreises Neuss aus der Jungsteinzeit bei Neukirchen liegen, nämlich unterhalb vom Pannschopp (Pfannenschuppen) und zwischen Bahndamm und Wehl, so ist unsere unbekannte Geschichte um ein Mehrfaches länger, als unsere bekannte Geschichte.
Ins Licht der schriftlichen Zeugnisse kommt das Gebiet durch den Heiligen Ludger, der an Erft und Gilbach Acker, Wiesen und vor allem Wälder kaufte. Er war ein Zeitgenosse von Karl dem Großen. Wehl und das von seinen Mönchen gegründete Münchrath haben hier ihren Ursprung.
Eine undatierte Urkunde des von Ludger gegründeten Klosters Werden hat dann vor über 900 Jahren zur Ersterwähnung Neukirchens geführt. Ein Abt aus dem Kloster Werden an der Ruhr, Adalwig mit Namen, vermachte seine Rechte am Hof zu Wehl und in Neukirchen, Speck, Münchrath, Lübisrath und anderen umliegenden Orten seinen Mitbrüdern, damit sie an seinem Todestag ein Jahresgedächtnis halten. Dieser Abt starb am 27. Oktober 1081, also vor 937 Jahren.
Mit der Kirche verbunden war ein Pfarrsprengel, der die heutigen Orte der Pfarrgemeinde Neukirchen und Hülchrath umfasste, aber wahrscheinlich ursprünglich noch weit größer war. In der Gemeinde Neukirchen tagte auch ein Landgericht. Dieses Gericht, Dingstuhl genannt nach dem germanischen Wort Thing und dem steinernen Stuhl für Richter, umfasste außer der Pfarrgemeinde Neukirchen auch die Pfarrgemeinden Hoisten, Norf, Rosellen und Nievenheim mit Delrath und Straberg. Wahrscheinlich gehörte auch Gohr dazu.
Einen Aufschwung nahm die Gemeinde, nachdem sich der Provinzgraf der dem Kölngau außerhalb der Stadtmauer Kölns vorstand, seine Residenz in der Örtlichkeit Hülchrath nahm. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde aus dem kleinen Weiler Hülchrath eine kleine Stadt mit einer gleichnamigen Grafschaft, die von Linn und Büttgen bis Frechen reichte, und mit der Verwaltung des Bonner Gebietes und des Ahrtales verbunden war.
Dieser Aufschwung wurde gebremst, als sich die Hülchrather Grafen überschuldeten und 1321 ihr Gebiet an den Erzbischof von Köln verkauften. Fast 500 Jahre lang war Neukirchen nun kurkölnisch. Schwere Zeiten waren zunächst einer weiteren Entwicklung des Ortes hinderlich, so dass im Umfeld des Dorfes sogar ganze Siedlungen verschwanden: Wer kennt heute noch Yffe oder Genserath, wer hat von Blumenberg je gehört? Und selbst Norbisrath und Lübisrath sind heute nur noch Höfe, keine Dörfer mehr.
Einen traurigen Höhepunkt bildete der Reformationskrieg im Erzbistum Köln, Truchseß’scher Krieg genannt. Die Bevölkerung vertrieben oder ermordet, die Häuser niedergebrannt, die Felder verwüstet, so sah es um 1583 aus. Kaum später, 1610, wurde das Dorf Schauplatz einer sadistischen Übung des Reitergenerals ‚von Dohna*: Er übte mit seinen Soldaten ‚Dorf plündern und brandschatzen‘, und dafür hatte er sich Neukirchen ausgesucht, nachdem er vorher schon Norbisrath heimgesucht hatte. Unsere St. Sebastianusbruderschaft, heute in Hülchrath beheimatet, kam erfolgreich zur Hilfe, musste aber den Tod von vier Schützenbrüdern beklagen, die in Gefangenschaft gerieten und dort kurzerhand hingerichtet wurden.
Aber dank eins Privilegs für Hülchrath von 1608 kamen nun Händler und Handwerker nach Hülchrath und Neukirchen, und es begann eine neue Blüte. Die beiden Orte wetteifern seither um die Gunst der Stunde. Innerhalb von 150 Jahren wuchs die Bevölkerung von etwa 500 Einwohnern in der ganzen Pfarre auf über 1000 Einwohner an.
Die Schulen entstanden, Ärzte ließen sich nieder, ein Geometer lebte im Heimatgebiet, sogar einen Tabakhändler kannte man. Stiftungen lassen die Wohlfahrtspflege anwachsen, bis dann 1794 ein gewaltiger Umbruch eintrat. Napoleon hatte das Rheinland erobert und begann seine Feldzüge nach Osten, nach Russland. Erstmals mussten Neukirchener Söhne auf europäischen Schlachtfeldern ihr Leben lassen.
Statt Heimat eines ‚Amtssitzes‘ zu sein, der als Vorläufer der Kreisverwaltung gelten kann, war man nun nur noch eine Landgemeinde unter vielen. Keine Eisenbahn erschloss den Ort, trotz zahlreicher Pläne und Versuche. Erst nach dem ersten Weltkrieg, als es eine Busverbindung zu den Fabriken in Neuss gab, kam wieder Leben in die örtliche Entwicklung. Diese Entwicklung wurde jedoch durch den zweiten Weltkrieg wieder jäh unterbrochen.
Dieser brachte auch am 25. Mai 1942 ein schreckliches Bombardement des Dorfes, das glücklicherweise nur ein Menschenleben erforderte.
Mit der Ankunft der ersten Vertriebenen im Februar 1946 begann dann ein Strukturwandel, der mit dem Rückgang der Landwirtschaft einherging und 1975 einen Höhepunkt im Verlust der Selbstverwaltung fand. Die Gemeinde Neukirchen wurde in zwei Hälften zu je 4.000 Einwohnern geteilt und auf die Städte Neuss und Grevenbroich verteilt.
Da die Städte aber wegen angespannter Haushaltslagen heute kaum noch etwas für die Orte tun, nehmen in immer mehr Orten die Bürger ihre Geschicke selbst in die Hand und zeigen Eingeninitiative. So auch in Neukirchen, wo 2002 der Verein Unser Neukirchen e.V. gegründet wurde. Auch in den Nachbarorten Hoisten (2000), Hülchrath und Speck (2004) wurden solche Vereine gegründet.